Bilder und Geschichten aus Schwaben by Ottilie Wildermuth

Bilder und Geschichten aus Schwaben by Ottilie Wildermuth

Autor:Ottilie Wildermuth [Wildermuth, Ottilie]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-02T23:00:00+00:00


Es ist ein schöner, sonnenklarer Septembermorgen; um halb sechs Uhr läutet der Vater das Morgenglöcklein zum erstenmal, um sechs erscheinen fix und fertig in reinlichem Morgenanzug Amalie und Anna. Die erste ist für diese Woche Kuchimuz, die zweite Aschenbrödel – so heißen bei den Schwestern allemal die zwei, die für Küche und Hausreinigung zu sorgen haben.

Während nun Amalie Feuer macht und das einfache Frühstück bereitet und Anna das große Zimmer lüftet und reinigt, geht's oben in den Stüblein der Mädchen schon recht lebendig her. In jedem der vier Zimmerchen, welche die zehn Älteren zusammen bewohnen, – die Kleinste schläft noch in der Eltern Zimmer – – ist immer den Großen eine Kleine beigegeben, die sie zu besorgen und anzukleiden haben. Alwina, der Mutter geheime Rätin, jetzt neunzehn Jahre alt, hat sich schon zu dieser begeben, um Haushaltungsangelegenheiten mit ihr zu besprechen; denn die gute Mutter ist nun, wie's die Mädchen nennen, pensioniert, sie selbst darf sich nimmer mit mühsamer Arbeit anstrengen, was ihre zarte Gesundheit auch nicht ertrüge; sie hat aber genug zu tun, bis sie denkt und sorgt für alle. Die kleine sanfte Beate, die in aller Stille zuerst aufgestanden ist, hat sich schon zu Angelika geschlichen, die wegen ihres besonders zarten und feinen Aussehens und ihres etwas vornehmen Wesens die Prinzessin im Hause genannt wurde. Angelika war keine Freundin vom Frühaufstehen, und wenn Alwina, ihre Schlafgenossin, sie zweimal geweckt hatte, so legte sie erst noch zum drittenmal das Köpfchen hin. So kam sie oft zu spät, was ihr vom Vater, der wollte, daß die älteren Schwestern mit gutem Beispiel vorangehen sollten, schon manchen Verweis zugezogen hatte. Drum schlüpfte die freundliche Beate, wenn sie konnte, in ihr Zimmer, half ihr beim Anzug und Aufräumen, daß sie doch noch mit den andern zum Frühstück kam. Dafür war aber auch Beate der schönen, begabten Angelika besonders lieb und erhielt manch liebliches Bildchen von ihrer kunstfertigen Hand, denn Angelika war eine geschickte Zeichnerin.

Um halb sieben tönte des Vaters Glocke zum zweitenmal, und nun eilte groß und klein die Treppe hinab. Gefehlt aber war's, wenn oben nicht alles in Ordnung verlassen wurde. Kuchimuz und Aschenbrödel hatten auch das Amt, die oberen Stüblein zu untersuchen, und waren Betten und Zimmer nicht im reinen, so traf die Schuldige zwei Tage lang das höchst unbeliebte Geschäft, die Schuhe zu putzen, das sonst nach Tagen abwechselte.

Nun versammelte sich alles in der großen, hellen Wohnstube. Da saß schon die Mutter mit dem Nesthäkchen Friederike; und es gab einen Jubel und Trubel, bis »das Kind, das Kleinsele, das Goldkäferlein«, und wie alle seine Beinamen hießen, jeder Schwester den Morgengruß und -kuß gegeben hatte.

Jetzt rief der Vater: »Still!« und nahm die Bibel aus Beatens Händen, um daraus eine schöne, kraftvolle Stelle zu lesen und mit einem kurzen, herzlichen Gebete den Tag zu beginnen. Da war's so still und feierlich im Zimmer, selbst die Kleinste stand mäuschenstill neben der Mutter, die großen Augen unverwandt auf den Vater gerichtet.

Nach geendetem Gebet geht Amalie mit ihrer Gehilfin Anna ab; sie kommen zurück, jede



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